VerborgeneWirklichkeiten
Manhörtnur,wasmanweiß!

Liebe Gäste!

Georg Philipp Telemann (1681-1767) offenbart schon als Schüler viele Begabungen, durch die er später als fantasievoller Komponist Karriere macht, als erfolgreicher Lehrer beliebt wird und als einfallsreicher Unternehmer locker Niederlagen wegsteckt. Als Vertreter der Aufklärung und leidenschaftlicher Natur- wie Blumenliebhaber ist er europaweit schließlich einer der wegweisenden und tonangebenden Kulturbotschafter des 18. Jahrhunderts. Er reist viel und beeindruckt als Mensch und Musiker fast ein Jahr lang das musikalische Paris. Bald nach seinem Tod gerät er in Vergessenheit, ist kaum Vorbild für spätere Musiker, erlebt erst in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Art Auferstehung, wird danach aber zu Recht verehrt und viel aufgeführt.

Johann Sebastian Bach (1685-1750) ist kein Unternehmer-Multitalent. Ihn fasziniert es, über alle erdenklichen Kontrapunktmöglichkeiten zu grübeln und vollkommene Lösungen bei Textvertonungen zu finden. Ein Multitalent ist er als Improvisator, Spieler vieler Instrumente, familienbezogener Klavierlehrer und nicht zuletzt als Komponist. Das offenbart u.a. seinWohltemperiertes Clavier, die beste Klavierschule aller Zeiten. Heute sind Klavierschulen voller anregender Bilder. Auch Bachs Klavierschule enthält Bilder. Zu seiner Zeit galt es, die verborgenen Wirklichkeiten in einer Komposition zu finden. Wenn man bei Bach nach wirklichkeitsnahen Bildern sucht, erlebt man eine überraschende Entdeckungsreise. Unterhaltsames, Trauriges, Tierisches und nicht zuletzt Witziges tritt zu Tage. Als Geschäftsmann kann er Telemann nicht das Wasser reichen, ist aber kommunikativ, gastfreundlich, ein guter Familienvater, aber ungern Lateinlehrer an der Thomasschule. Nach seinem Tod bewahren ihn zunächst seine Söhne vor dem Vergessen. Um 1800 beginnt durch Drucke die rasante Verbreitung seiner Werke, zu der Brahms, die Schumanns, Herzogenberg und Mendelssohn beitragen.

Georg Friedrich Händel (1685-1759) denkt und wirkt wie Telemann europäisch. Als 17jähriger reist er für vier Jahre nach Italien, lernt die tonangebenden Komponisten wie deren Musik kennen, profitiert bestens davon, ist vorübergehend in Hamburg und Hannover tätig, wird aber bald in London heimisch, wo seine begeisternden Opern und Oratorien schnell die Weichen für eine Einbürgerung stellen. Als Geschäftsmann ist er wie Telemann hochbegabt und bestens vernetzt. In Vergessenheit gerät seine Musik nie. Wachgehalten werden seine und Bachs Werke nicht zuletzt von Mozart, Schumann und Mendelssohn in damals üblichen Bearbeitungen. Eine vergleichbare Brücke über das Vergessen hinaus ist Telemann nicht vergönnt.

Werke von Zeitgenossen der Drei laden in einigen Programmen zu Vergleichen ein, öffnen aber auch Blickrichtungen auf die Werke anderer und späterer Komponisten.

Im Abschluss-Konzert erinnern wir an den vor 250 Jahren geborenen und fast vergessenen rheinischen Komponisten Wilhelm Wilms (1772-1847). Musikliebhaber trauten ihren Ohren nicht, als vor wenigen Jahren seine großartigen an Beethoven erinnernden Sinfonien auf CD erschienen. Seine Drei geistlichen Lieder erklingen als neuzeitliche Erstaufführung am Schluss des diesjährigen Festivals.

Nicht nur in den Konzerten wird Wissenswertes vermittelt. In Workshops und Gesprächen mit Wissenschaftler*innen und Musiker*innen vergleichen wir, wie Musik im 18. Jahrhundert komponiert wurde und heute entsteht. Kompositionsstudierende unserer Tage zeigen mit ihren Auftragskompositionen, wie innerhalb von dreihundert Jahren das Komponieren anders wurde.

Durch Rundfunksendungen und CD-Booklets sind viele Konzertbesucher neugierig auf Informationen zu Musik geworden. Auf diese erfreuliche Entwicklung hat das Festival schon lange reagiert und möchte in Zukunft weiterhin wissenswerte Zusammenhänge aufzeigen. In der Kunstgeschichte heißt es: Man sieht nur, was man weiß. In diesem Sinne gilt für die Musik: Man hört nur, was man weiß.

 

Mit herzlichen Grüßen
Ihr Hermann Max 

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